Messproblematik
In aller Kürze
- In Köln existieren zu wenig offizielle Luftmessstationen in Wohngebieten.
- Kölner*innen sind entgegen der offiziellen Messwerte einer hohen Luftverschmutzung in Wohngebieten ausgesetzt.
- Grenzwerte von Luftschadstoffen in Deutschland sind veraltet und entsprechen nicht mehr dem Stand der Wissenschaft zu den gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung.
Lage und Anzahl der Messtationen
Köln verfügt derzeit über insgesamt 20 offizielle Messstationen zur Luftqualitätsüberwachung. Eine zunächst umfangreiche Anzahl, die sich jedoch sehr schnell relativiert. Denn 17 von 20 Stationen dienen der Verkers- oder Industriemessung und stehen entweder an präganten Hauptverkersstraßen oder in der Nähe von Industrieanlagen.
Die 3 verleibenden Stationen dienen der sogennanten Hintergrundmessung, d.h. der Messung der Luft in Wohngebieten. Von den 3 Stationen misst jedoch nur eine einzige Station den gesundheitlich relevanten lungengängigen Feinstaub (PM2.5). Diese Messstation befindet sich in Kölns nördlichstem Stadtbezirk Chorweiler neben der Gemeinschaftsgrundschule Anna-Langohr-Schule.
Die Umgebung der Messtation wird geprägt durch große Frei- und Grünflächen und einer überwiegenden Mehrfamilienhausbebaung. Die Station eignet sich damit kaum, um z.B. valide Aussagen über die Luftbelastung durch Kaminöfen in Wohngebieten zu treffen. Dennoch dient die Station aufgrund ihrer Lage und der Messziele zur Bewertung der Luftbelastung durch lungengängigen Feinstaub in Kölner Wohngebieten. Zusammenfassend bedeutet dies, dass in offizielen statistischen Auswertungen über die Qualität der Luft, die täglich von knapp 1 Millionen Kölner*innen in Wohngebieten eingeatmet wird, von einer einzigen Messstation bestimmt wird.
In der interaktiven Karte kannst du dir entweder alle Stationen anzeigen lassen oder nur die Stationen, die lungengängigen Feinstaub (PM2.5) oder den gröberen Feinstaub (PM10) messen.
Veraltete oder fehlende Grenzwerte
Für Feinstaub gibt es sowohl Grenz- als auch Richtwerte.
Grenzwert: Der Messwert muss im Rahmen einer Vorschrift eingehalten werden.
Richtwert: Die Einhaltung des Messwertes ist erwünscht und sollte angestrebt werden.
In Deutschland sind die Grenzwerte in der Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchV) festgehalten. Trotz der zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnis über die gesundheitlichen Folgen von Feinstaub (vor allem lungengängigem Feinstaub), wurden die Grenzwerte in Deutschland das letzte Mal im Jahr 2010 angepasst, sodass sich die Grenzwerte für die Jahresmittelwerte inzwischen sehr stark von den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation unterscheiden.
Messwert | Jahresmittelgrenzwert (Deutschland) | Jahresmittelrichtwert (WHO) | |
---|---|---|---|
PM2.5 | 25 µg/m³ | 5 µg/m³ | |
PM10 | 40 µg/m³ | 15 µg/m³ |
In Deutschland gibt es zudem keinen Grenzwert für das Tagesmittel von lungengängigem Feinstaub. Des Weiteren sind in Deutschland gegenüber den Empfehlungen der WHO bis zu 35 Überschreitungen des PM10 Tagesmittelgrenzwertes während eines Kalenderjahres möglich.
Messwert | Tagesmittelgrenzwert Deutschland | Überschreitungen (Deutschland) | Tagesmittelrichtwert (WHO) | Überschreitungen (WHO) | |
---|---|---|---|---|---|
PM2.5 | 15 µg/m³ | 3 - 4 Tage | |||
PM10 | 50 µg/m³ | 35 Tage | 45 µg/m³ | 3 - 4 Tage |
Glättung durch Mittelwerte
Schadstoffbelastungen werden in der Regel mit gleitenden Mittelwerten ausgewiesen. Dies stellt ein Problem bei der Bewertung der tatsächlichen Luftverschmutzung, der Menschen ausgesetzt werden, dar. Denn im Gegensatz zu Messwerten, welche die aktuelle Verschmutzung ausweisen, werden bei Mittelwerten ausschließlich Zeiträume betrachtet und ein Durchschnittswert gebildet. Starke, punktuelle Verschmutzungen werden dadurch geglättet und sind in Statistiken nicht mehr ersichtlich. Diese Problematik ergibt sich sowohl bei Tagesmittelwerten als auch Jahresmittelwerten, die beide in offiziellen Statistiken zur Luftverschmutzung verwendet werden.
Berechnung des Tagesmittelwertes
Für den Tagesmittelwert werden über einen ganzen Tag Messwerte in einem bestimmten Zeitabstand erhoben. In der Regel geschieht dies alle 30 Minuten bzw. jede Stunde. Im interaktiven Diagramm findest du ein Beispiel mit einem 30-Minuten-Rhythmus. Daraus ergeben sich insgesamt 48 Datenpunkte (00:00 Uhr, 00:30 Uhr, …, 23:30 Uhr).
Die 48 Datenpunkte werden im nächsten Schritt mit ihren einzelnen Messwerten summiert. Das heißt 22,5 µg/m (00:00 Uhr) + 22 µg/m (00:30 Uhr) + … + 23 µg/m (23:30 Uhr) und durch 48 geteilt.
Dies ergibt einen Tagesmittelwert von 11 µg/m³. Da es in Deutschland keinen Tagesmittelgrenzwert für lungengängigen Feinstaub gibt, findet keine Überschreitung statt. Auch der Tagesmittelrichtwert der WHO von 15 µg/m³ wird unterschritten.
Der Tagesmittelwert gibt in dem gezeigten Beispiel bei alleiniger Betrachtung keinen Aufschluss über die Luftbelastung zwischen 19:30 Uhr und 4:00 Uhr. Somit wird die Luft trotz einer sehr hohen Schadstoffbelastung zu der Zeit, an dem sich die meisten Menschen an ihrem Wohnort befinden, als unbedenklich ausgewiesen.
Berechnung des Jahresmittelwertes
Die Berechnung des Jahresmittelwertes erfolgt identisch zum Tagesmittelwert, wobei die Daten auf den einzelnen 365 Tagesmittelwerten basieren. Das heißt, der Tagesmittelwert von 11 µg/m³ aus dem Beispiel wird mit weiteren 364 Datenpunkten verrechnet und der Durchschnitt gebildet.
Gesundheitsschädliche Luft trotz Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes
Beim lungengängigen Feinstaub (PM2.5) existieren mehrere Einflussfaktoren, die dazu führen, dass die Luftqualität in Statistiken als unbedenklich ausgewiesen ist, obwohl eine gesundheitliche Belastung vorlag.
Du kannst dir im interaktiven Diagramm die Unterschiede zwischen den Messwertbetrachtungen mit den Grenzwerten in Deutschland und den Richtwerten der WHO anschauen.
Der viel zu grob gesteckte Grenzwert in Deutschland ermöglicht sehr hohe Feinstaubbelastungen über lange Zeiträume hinweg. Dadurch kann eine gesundheitsschädliche Feinstaubbelastung in den Wintermonaten durch eine in der Regel vielfach geringere Luftbelastung in den Sommermonaten komplett ausgeglichen werden. Als Folge wird der Jahresmittelgrenzwert von 25 µg/m³ eingehalten und damit eine unbedenkliche Luftqualität ausgewiesen. Mit den Richtwerten der WHO wäre dieser Ausgleich nicht mehr möglich, da die Monate Oktober bis Mai zu einer Überschreitung des Richtwertes um den Faktor 4,6 (5 µg/m³ vs. 23 µg/m³) beitragen.
Der fehlende Tagesmittelgrenzwert für lungengängigen Feinstaub verstärkt die Problematik. Ein Tagesmittelgrenzwert würde dazu führen, dass es in den Wintermonaten zu reihenweiser Grenzwertüberschreitungen kommen würde. Als Konsequenz müssten Maßnahmen zur Luftreinhaltung getroffen werden, zu denen auch ein Betriebsverbot von Kaminöfen zählt.
Was bedeutet das für meine Gesundheit oder die meiner Familie?
Eine problematische, gesundheitsbedenkliche Luftbelastungen in deinem Veedel bleibt womöglich unbetrachtet. Denn sehr wahrscheinlich wohnst du wie viele andere Kölner*innen nicht an einer der drei Luftmessstationen für lungengängigen Feinstaub. Damit wird die Luft in deinem Veedel gar nicht gemessen, was sich sehr negativ auf deine Gesundheit und die deiner Familie auswirken kann.
Solltest du doch in der Nähe einer offiziellen Luftmessstation wohnen, kann die Schadstoffbelastung dennoch in den Mittelwerten komplett untergehen. Sofern du nicht regelmäßig im Schichtdienst arbeitest, ist deine Aufenthaltszeit abends, nachts und am Wochenende viel länger als zur restlichen Zeit. Ist in diesen Zeiträumen die Luft stärker belastet, wirst du automatisch durch viel mehr Schadstoffe gesundheitlich beeinträchtigt.
Stell dir eine Kindertagesstätte in einem Wohnviertel neben einer Straße und einem Kaminofen vor. Tagsüber wird die Luft stark mit Schadstoffen der Straße und des Kaminofens belastet. Nachts ist der Kamin aus, die Straße unbefahren und die Luft sehr gut.
Luftverschmutzung ist ein schwer greifbares Thema, da die Verschmutzung bis zu einem gewissen Grad nicht sichtbar ist und die gesundheitlichen Folgen im Rahmen von Lungenkrankheiten erst sehr zeitverzögert auftreten können. Anders sieht es z.B. mit Wasserverschmutzung aus, die viel schneller sichtbar ist. Und dennoch tätigst du etwa 20.000 Atemzüge pro Tag und nimmst dabei rund 10.000 Liter Luft auf. Da saubere Luft für deine Gesundheit genauso wichtig ist, wie sauberes Trinkwasser, kannst du dir auch folgende Frage stellen:
Köln braucht deine Unterstützung!
Mit deiner Hilfe kann das Netzwerk privater Luftmessstationen weiter ausgebaut werden. Dadurch wird die Datenqualität für unsere Veedel besser.
Baue deine eigenen Luftsensor- 1Messorte der Luftqualitätsüberwachung in NRWLandesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV)